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Gruppenbild Mediengespräch 2023, v.l. Stefan Kölliker, Nicolas Robin, Catherine Ferris, Helen Mühlestein, Georg Winder, Horst Biedermann

Gemeinsam den Lehrpersonenmangel bekämpfen

Neue Studiengänge für Quereinsteigende, flexiblere Studienformen und mehr Kulanz: Die Pädagogische Hochschule St.Gallen (PHSG) reagiert mit verschiedenen Massnahmen auf den Lehrpersonenmangel. Zudem informierte sie am diesjährigen Mediengespräch über Künstliche Intelligenz in der Lehrpersonenbildung und zeigte anhand von zwei Projekten auf, wie die PHSG für die Praxis forscht.

Der Lehrpersonenmangel beschäftigt die Schulen und die verantwortlichen Personen in der Bildung stark. «Wir sind uns der Problematik mehr als bewusst», sagte Prof. Dr. Horst Biedermann, Rektor der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG), anlässlich des Mediengesprächs vom 2. Juni 2023. Die relevanten Akteure im Bildungsbereich seien gemeinsam gefordert, Lösungen herbeizuführen. Dabei nehme die PHSG eine zentrale Rolle ein. «Einerseits unterstützen wir Schulen und Lehrpersonen mit Massnahmen, andererseits bauen wir unser Angebot kontinuierlich aus, um für angehende Studierende und ihre Lebensform attraktiv zu bleiben.» In diesem Herbstsemester beginnen beispielsweise zwei neue Masterprogramme: der «Master Sekundarstufe I auf Basis eines Fachbachelors» und jener auf Basis eines Fachmasters. Hierfür hätten sich erfreulicherweise bereits 20 Personen angemeldet, so Horst Biedermann. Die PHSG wird zudem kulanter, wenn es um Abwesenheiten von Studierenden aufgrund von Stellvertretungen an Schulen geht. Letzteres ist eine von mehreren Massnahmen, die in der von der Regierung und dem Bildungsrat im vergangenen Sommer eingesetzten Arbeitsgruppe erarbeitet wurden und nun laufend umgesetzt werden. Dazu gehören auch die beiden neuen Studiengänge für Quereinsteigende für Kindergarten- und Primarstufe sowie für Sekundarstufe I. Die Studiengänge werden ab Herbst 2024 durchgeführt und ergänzen beispielsweise die bereits bestehenden berufsintegrierten Studiengänge sowie die Teilzeit-Studienformen auf Kindergarten- und Primarstufe. Stefan Kölliker, Bildungsdirektor und Präsident des Hochschulrats der PHSG, sagte, dass der Lehrpersonenmangel noch nie so akut gewesen sei wie heute. Und er betonte, wie wichtig es nun sei, dass alle zusammenarbeiteten und man sich nicht gegenseitig verantwortlich für die aktuell schwierige Situation mache.

KI in der Lehrpersonenbildung

Nebst dem Lehrpersonenmangel stellen auch gesellschaftliche Veränderungen, die Globalisierung und der digitale Wandel die Schulen vor neue Herausforderungen. Die damit verbundenen Auswirkungen für die Schulen, aber auch für die Lehrpersonenbildung müssten ebenfalls gemeinsam angegangen werden, sagte Stefan Kölliker. Ein wesentliches Element der fortschreitenden Digitalisierung ist die Künstliche Intelligenz (KI), mit der sowohl Lehrpersonen als auch Schülerinnen und Schüler täglich konfrontiert sind. Die PHSG hat daher eine strategische Orientierung zur Nutzung von KI in der Lehre formuliert. Für die Hochschule sind KI und die damit verbundenen grossen Sprachmodelle, wie ChatGPT, technische Hilfsmittel, die allen Mitarbeitenden und Studierenden zur Verfügung stehen sollen. «Wir wollen diese Technologien als Bestandteil des Lernens, der Beurteilung und Leistungsüberprüfung, der Differenzierung und des Handelns im Allgemeinen integrieren», sagte Prof. Dr. Nicolas Robin, Prorektor Ausbildung der PHSG. Dr. Georg Winder, Dozent für Medien und Informatik am Institut ICT und Medien an der PHSG, sieht in den neuen Technologien grosses Potenzial: «Sie können langfristig dazu beitragen, den Unterricht effektiver und personalisierter zu gestalten, indem das Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler analysiert wird und individuelle Lernwege empfohlen werden.» Trotzdem mahnt er zur Vorsicht: «Diese Tools sind nur so gut wie die Algorithmen respektive die Daten, auf denen sie basieren.»

Übersetzungstools richtig nutzen

Online-Tools werden auch bei der Übersetzung einer Sprache in die andere rege genutzt. Im Fremdsprachenunterricht sind sie ebenfalls sehr beliebt. Trotzdem wird der Gebrauch von Übersetzungstools sowohl in den Lehrmitteln als auch im Lehrplan 21 wenig bis gar nicht thematisiert. Umso grösser ist der Bedarf an Übungs- und Lehrmaterialien bei den Lehrpersonen. Ein Team des Instituts Fachdidaktik Sprachen der PHSG hat deshalb das Projekt «Tools@Schools» lanciert. Dabei werden Aufgaben entwickelt, mit denen die Nutzung von Übersetzungstools im Fremdsprachenunterricht auf Sekundarstufe I geübt werden kann. «Die Aufgaben dieser Tools knüpfen thematisch an die gängigen Lehrmittel im Fremdsprachenunterricht an und sind kompetenzorientiert», sagte Dr. Catherine Ferris, die das Forschungsprojekt leitet. Gleichzeitig lernen die Schülerinnen und Schüler, die elektronischen Übersetzungen kritisch zu hinterfragen. «Tools@Schools» ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Wissenstransfer aus der PHSG direkt in die Praxis fliesst. «Wir legen grossen Wert auf die Praxisrelevanz von Forschungs- und Entwicklungsprojekten», so Catherine Ferris.

Lehrmittel St.Gallerland neu konzipiert

Im neuen Heimatkunde-Lehrmittel St.Gallerland wird das Wissen aus der PHSG ebenfalls mit dem Wissen aus der Praxis verbunden. Dozierende der PHSG haben das 1970 erstmals erschienene, sehr textlastige Lehrmittel neu konzipiert. Damit ist es fachdidaktisch und fachwissenschaftlich auf dem neuesten Stand. Mit kompetenzorientierten Lernaufgaben, Augmented Reality und multimedialen Materialien wie Filmen, Chatbots oder 3D-Elementen regt es nun zum Erforschen und Entdecken des Heimatkantons an. «Das Lehrmittel ist fachdidaktisch nach den neuesten Konzepten, insbesondere aus der Geschichts- und Geographiedidaktik, aufgebaut», sagte Autorin Prof. Dr. Helene Mühlestein. Zudem sei es stark auf offene Aufgaben und forschend-entdeckendes Lernen ausgerichtet. Die Schülerinnen und Schüler rekonstruieren beispielsweise mit historischen Quellen, was Überschwemmungen für die Menschen im Rheintal bedeuteten oder gestalten eine mittelalterliche Buchseite in Anlehnung an die Schätze in der Stiftsbibliothek. Die Einführung der Arbeitshefte erfolgt schrittweise seit dem Schuljahr 2022/2023. Geplant sind sieben Hefte, von denen drei bereits erhältlich sind.