KI im Coaching
«KI ist längst Teil unseres beruflichen und privaten Alltags.»
Eine Aussage, die man inzwischen überall hört: in der Zeitung, an der Bushaltestelle, in der Werbung, an Tagungen, Workshops oder Konferenzen. Ja, KI ist Teil unseres Lebens geworden.
Eine Erkenntnis, die gleich zu Beginn der Online-Konferenz vom 18. Juni 2025 zum Thema KI im Coaching durch eine Umfrage bei den 36 Teilnehmenden bestätigt wird. Fast alle geben an, täglich oder sogar mehrmals täglich KI zu nutzen.
Daran anknüpfend machen wir uns gemeinsam auf die Suche nach weiteren Fragen und Antworten, was das für Beratende, Coaches, Supervisorinnen oder Führungskräfte bedeutet.
Noch bevor es richtig losgeht, trifft mich das Thema in seiner ganzen Allgegenwärtigkeit. Das Videokonferenztool, in diesem Fall Zoom, informiert mich höflich, dass das Meeting durch eine KI transkribiert wird. Daneben erscheint das mittlerweile vertraute kleine Sternchen-Symbol. Es signalisiert, dass hier KI mitwirkt. Ich kann die Meldung nur zur Kenntnis nehmen, eine Alternative gibt es nicht. Das bringt mich ins Stutzen. Was, wenn ich das nicht möchte? Oder nicht genau weiss, was da eigentlich passiert?
Ich zögere kurz. Doch die Vorfreude auf den Anlass überwiegt. Ich bin eingeloggt, eingerichtet, startklar. Im Hintergrund erscheinen die ersten Gesichter, viele davon vertraut: Studierende, Ehemalige, Dozierende. Aber auch mir unbekannte Namen und neue Gesichter. Menschen, die sich mit KI in Beratung, Coaching und Bildung auseinandersetzen und im Austausch lernen möchten. Ich klicke auf «Verstanden» und lasse die Irritation mit dem vertrauten Zoom-Gefühl hinter mir.
Suzanne Ruf ist Organisationsberaterin, Wirtschaftsinformatikerin und Co-Geschäftsführerin bei Trigon Luzern. Sie führt in die Geschichte künstlicher Intelligenz ein, verortet technische und gesellschaftliche Entwicklungen und zeigt anhand konkreter Beispiele und Projekte, wie KI im Coaching eingesetzt werden kann. Dabei verweist sie auf Studien, die belegen, wie die Faktoren Verständnis, Stabilität und Verfügbarkeit das Beziehungserleben von Menschen im Kontakt mit KI-generierten Gesprächspartnern begünstigen.
Sie navigiert durch technologische Errungenschaften, gesellschaftliche Spannungsfelder und ethische Fragen mit einer Klarheit, die inspiriert und zum Mitdenken einlädt. Ihre Freude an den Möglichkeiten wirkt ansteckend. Ihre Hinweise auf Risiken, Herausforderungen und Nebenwirkungen klingen nach.
Sie schafft genau das, was im Kern gute Beratung ausmacht: einen Resonanzraum, in dem eigene Erfahrungen, Unsicherheiten und Perspektiven zu gemeinsamem, verwobenem Denken führen.
Sie spricht über Ressourcenverbrauch und Data-Worker in Billiglohnländern, über Datenschutz, Bias, reale Anwendungsmöglichkeiten und systemische Risiken. Über Beziehung, Verantwortung und Resonanz.
Und sie regt dazu an, die eigene Praxis neu zu befragen. Nicht als Pflichtübung, sondern weil sich plötzlich ganz konkrete Felder und Fragen auftun.
- Was verändert sich in meiner Rolle, wenn ich KI nutze?
- Wo kann mich KI unterstützen, wo will ich sie einsetzen?
- Wie wirkt sich das auf die Beziehung zu Klientinnen und Klienten aus?
- Wie verändern sich Erwartungen von Klientinnen und Klienten?
- Wo ist das Menschliche unverzichtbar?
- Welche Informationen gehören in geschützte Räume und was bedeutet das für meine digitale Praxis?
Genau darin liegt die Stärke eines solchen vernetzten Austauschs: Er aktiviert, verbindet die Teilnehmenden mit ihren Erfahrungen und Fragen und macht deutlich, wie relevant diese Themen werden, wenn KI nicht nur Werkzeug ist, sondern unsere Arbeits- und Lebenswelt aktiv mitgestaltet.
In den Breakout-Sessions diskutieren die Teilnehmenden vertieft aus der Praxis, mit wachem Blick für Herausforderungen und mit Offenheit und Neugier für mögliche Potenziale. Es entstehen Fragen, Irritationen, Ideen. Manche berichten von ersten Versuchen mit KI in der Beratung, andere äussern Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Vertraulichkeit und reflektieren über die Beziehung zwischen Mensch und Maschine.
Man spricht bewusst auch über Möglichkeiten . Lotetaus, wie KI sinnvoll eingebunden werden kann, etwa zur Unterstützung zwischen Beratungssitzungen, als Reflexionspartner oder methodischer Sparringspartner.
Wiederholt wird festgehalten: Es gibt Aspekte der Beziehungsgestaltung und der Interaktion, die den unmittelbaren Kontakt zwischen Menschen erfordern, das subtile Spüren, die erlebbare Resonanz im direkten Gegenüber. Ein Satz bringt es besonders auf den Punkt, den ein Teilnehmender in die Runde gibt:
«Immer wenn es ums Erleben geht, werden wir als Beraterinnen und Berater exklusiv bleiben.»
Andere betonen die Notwendigkeit, das Tempo zu reflektieren, mit dem Entwicklungen voranschreiten. Es wird deutlich: Technisches Wissen allein reicht nicht. Es braucht Bewusstheit, Haltung, klare Positionierungen, professionelle Reflexion.
Gerade bei der Frage, wie wir uns auf dem Laufenden halten und Entwicklungen sinnvoll integrieren, lautet eine zentrale Antwort: durch Austausch und Vernetzung mit anderen Menschen. Es geht dabei nicht darum, alles wissen zu müssen, sondern sich bewusst zu werden, wo man sich vertiefen möchte. Im Dialog mit anderen entsteht die nötige Balance zwischen Spezialisierung und Überblick, zwischen individueller Verantwortung und kollektiver Lernkultur. Die Lust, gemeinsam weiterzudenken, zu experimentieren, einander zu unterstützen, ist spürbar und sinnstiftend. Und wird sinnbildlich von der Referentin mit einer Beobachtung abgerundet: «Vor einem Jahr ging es auf solchen Konferenzen um Tools und Einsatzmöglichkeiten. Heute reden wir viel mehr über Beziehung und das Zwischenmenschliche.»